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04 June 2014

#Howafo: Der theoretische Hintergrund Teil 1

Die Forschung zum Thema Naturkatastrophen, Politik und Bürgerbeteiligung kann unter folgenden 4 Überschriften zusammengefasst werden. Dieser Beitrag befasst sich mit den ersten zwei Punkten. Punkte drei und vier werden in Teil 2 behandelt:


1. Naturkatastrophen als Katalysator für politische Veränderungen
2. Naturkatastrophen und gesellschaftlicher Zusammenhalt
3. Bürgereinbindung in Prävention und Wiederaufbau
4. Naturkatastrophen und politische Beteiligung


Schon aus diesen kurzen Überschriften geht hervor, dass ein Projekt wie #Howafo eine Vielzahl von Perspektiven einbeziehen muss, unter Anderem die betroffener Bürger, Politiker und von Mitarbeitern aus Verwaltung und Kommunen. Punkt 1 geht auf die Politikerperspektive ein und analysiert wie Politiker Naturkatastrophen für wegweisende Gesetzesinitiativen im Bereich Umweltschutz nutzen können. Auf der Bürgerseite wird durch die Naturkatastrophe der Zusammenhalt gestärkt, was sich langfristig in mehr ehrenamtlichem und freiwilligem Engagement bemerkbar macht (Punkt 2). Kommunen und Verwaltungen haben ein Interesse an der Umsetzung präventiver Maßnahmen, allerdings hängt deren Erfolg nicht nur von der Qualität der Pläne ab (Punkt 3). Und zuletzt können Naturkatastrophen auch ein neues Bewusstsein für die Wichtigkeit aktiver Bürgerbeteiligung in der Politik schaffen, was unter Punkt 4 genauer untersucht wird.


1. Naturkatastrophen als Katalysator für politische Veränderungen
Forschung in diesem Bereich beruht oftmals auf der Annahme, dass Naturkatastrophen eine besonders günstige Gelegenheit für die Umsetzung neuer Gesetzgebung im Bereich Natur- und Umweltschutz darstellen (Kingdon 1995, Henstra and McBean 2005, Birkman 2008). Eine für die von Naturkatastrophen ausgehenden Gefahren stark sensibilisierte Öffentlichkeit ist gewillt auch kostspielige Veränderungen in Kauf zu nehmen, solange so das Risiko einer erneuten Katastrophe gemindert wird. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass Angela Merkel den Vorstoß zur Abschaltung sämtlicher deutscher Atomkraftwerke direkt nach der Fukushima Reaktorkatastrophe in die Debatte brachte. Die Wahl des Zeitpunkts war in vielerlei Hinsicht vorteilhaft: Zum einen blieb für die Interessensverbände kaum Zeit eine öffentliche Gegenkampagne zu organisieren, zum anderen spielten die Kosten der Energiewende zu diesem Zeitpunkt eine nur untergeordnete Rolle, da in der Debatte Umwelt- und Sicherheitsaspekte dominierten. Ob die Naturkatastrophe also vor der Haustür stattfindet oder mehrere tausend Kilometer entfernt, spielt für die erfolgreiche Umsetzung einer Gesetzesinitiative zunächst keine Rolle. Was zählt, ist die öffentliche Sensibilisierung für die Gefahr an sich.


2. Naturkatastrophen und gesellschaftlicher Zusammenhalt
Während und direkt nach Naturkatastrophen rückt die betroffene Region in vielerlei Hinsicht zusammen. Sei es in der Gewährung von Unterschlupf für Menschen, die alles verloren haben, oder als Helfer bei der Sicherung von Gebäuden und ganzen Ortschaften mit Sandsäcken. Dieser Geist sich freiwillig einzubringen dauert oft auch nach der direkten Bewältigung der Naturkatastrophe an. Nach dem Kobe Erdbeben wurde zum Beispiel ein langfristiger Anstieg von freiwilligem Engagement verzeichnet (Shaw and Goda 2004, Yamamura 2013). Dieses Engagement umfasste sowohl neu gegründete Bürgerinitiativen als auch Tätigkeiten in etablierten karitativen Organisationen (Yamamura 2013). Im Zuge des 2002 Hochwassers in Sachsen-Anhalt stieg die Zahl der an Frühwarnnetzwerken beteiligten Bürger signifikant an (Kreibich et al 2004).

 

Quellen:


Birkman, J./Buckle, P./ Jaeger, J. et al (2008): Extreme events and disasters: a window of opportunity for change? Analysis of organizational, institutional and political changes, formal and informal responses after mega-disasters. Nat Hazards.
Henstra, D./McBean, G. (2004): The Role of Government in Services for Natural Disaster Mitigation. Working Paper: Institute for Catastrophic Loss Reduction.
Kreibich, H./Thieken, A.H./Petrow, Th. Et al (2005): Flood loss reduction of private households due to buildidng precautionary measures-lessons learned from the Elbe Flood in August 2002. Natural Hazards and Earth System Sciences (5):117-126
Shaw, R./Goda, K. (2004): From Disaster to Sustainable Civil Society: The Kobe Experience. Disasters 28(1):16-40.
Yamamuram E. (2013): Natural Disasters and Participation in Volunteer Activities: A Case Study of the Great Hanshin-Awaji Earthquake. Annals of Public and Cooperative Economics 84(1):103-117.

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